Ein schweigender Dialog zwischen Fotograf:in und dem Publikum, aber auch zwischen den Werken in einem Raum. Das ist aus Ausstellungen bekannt. Hier geht es aber auch noch um das Schweigen im uns umgebenen Alltag. Durch die Fotografien werden die Betrachtenden vielleicht an Situationen erinnert, in denen sie oder andere geschwiegen haben. So sind Friedhöfe Orte, an denen die Lebenden versuchen die Verbindung zu den Verstorbenen zu erhalten. Dabei können die Motive und Medien sehr unterschiedlich sein. Schweigen und Rückzug schützen im ersten Moment des Schmerzes. Mit der Zeit werden sie aber überwunden und die Welt nimmt wieder Kontakt auf. Die Arbeiten von Frauke Langguth und Thilo Seibt zeigen Distanz, Abwesenheit, Verlust und Trauer, aber auch Liebe, Suche und Sehnsucht. Manchmal ist Schweigen der Anfang eines Dialogs. Manchmal ist das Schweigen ewig.
Papa und ich – Frauke Langguth
Auf Berliner Friedhöfen kann man immer wieder Gräber ohne den Namen der Verstorbenen entdecken. Auf ihnen findet sich manchmal nur ein Wort: „Mutter“. Oder: „Mutti“. Oder: „Papa“. Oder: „Papa und ich“.
Diese Grabsteine lese ich als Message-Boards, in die der Beziehungsstatus für immer eingraviert ist. Steingewordene Touch-Points, die eine Brücke von der Gegenwart zur Ewigkeit schlagen, in dem sie das untrennbare Band zwischen Angehörigen und Verstorbenen thematisieren. Der Botschaft können sich die Betrachter:innen kaum entziehen: jede:r ist ein Kind, jeder hatte eine Mutter, einen Vater.
Durch die Universalität der Beschriftung entsteht eine Dreiecks-Beziehung zwischen den unbekannten Verstorbenen, den unbekannten Angehörigen, die den Grabstein beschrifteten und den Friedhofs-Besucher:innen, die das Grab betrachten und in der Inschrift auf dem Stein ihr eigene Geschichte gespiegelt sehen.
Die Komplexität dieser Beziehungen versuche ich durch Collage und Montage einzufangen. Die Fotoarbeiten verdeutlichen, was die Grabsteine auch sagen: wir akzeptieren nicht, dass der Tod das Ende unserer Beziehung ist.
Der Mantel des Schweigens – Thilo Seibt
Eine verhüllte schwarze Figur begleitet durch die Fotografien von Thilo Seibt. Wie in einem Scherenschnitt wird der Protagonist, der einen schwarzen Mantel trägt, visuell aus dem Bild herausgeschnitten. Das tiefe Schwarz zieht den Blick auf sich, ohne etwas von ihm zu zeigen. Dieser Mantel schützt, macht den Menschen darunter trotz seiner Präsenz unsichtbar, unberührbar. Nur die Körperhaltung als auch die gezeigte Umgebung lassen Raum für eigene Interpretation. Der Protagonist nimmt keine direkte Beziehung zum Betrachter auf. Er schweigt.
Das Schweigen erfährt durch einfaches Weglassen oder Rückzug viel Aufmerksamkeit, da es ein Kontrast zu einer lauten Umgebung bildet. Dabei kann aus vielen Motiven geschwiegen werden. Der wahrscheinlich bekannteste Anlass ist das Schweigegelübde. Aber auch zum Gedenken, als Strafe, als Zustimmung, als Verweigerung, aus Unsicherheit oder aus Angst kann geschwiegen werden. Das erscheint viel. Daher lohnt es sich genauer hinzusehen. Die Nicht-Kommunikation berührt, verunsichert oder reizt die Umgebenden. Es werden keine Antworten, keine Begründung gegeben. Nur durch kulturelle Kodexe, Mimik oder Gebärden können hier Inhalte transportiert werden.
Der Mantel ist ein weitverbreitetes Symbol für den Schutz, die Macht, aber auch das Schweigen. Dieses wird in den an sich schon schweigenden Fotografien als Bild benutzt, um Geschichten entstehen zu lassen.
Teilnehmende Künstlerinnen und Künstler:
Frauke Langguth (FASB)
Thilo Seibt (FASB)
Ausstellung
Fotoatelier am Schönen Berg
Mansteinstr. 16, 10783 Berlin
vom 18.03.2023 – 02.04.2023
Vernissage am 17.03.2023 ab 19:00
Öffnungszeiten: Samstag / Sonntag 14 bis 18 Uhr
sowie nach Vereinbarung.